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geschrieben am: 07.08.2008 um 16:50 Uhr IP: gespeichert
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Spoonhead, die kleine schwarze Fellkugel mit der weißen Nase, kam im Jahr 2000 zu mir. Ein Bekannter hat ihn mitgebracht, da das Tier ansonsten im Suppentopf gelandet wäre.
Leider wusste ich damals noch zu wenig über die artgerechte Haltung von Kaninchen, also kauften mein damaliger Freund und ich einen "Ratgeber" (was ein großer Fehler war). Deshalb blieb Spoonhead aufgrund unserer Unwissenheit - und der der Autoren - ein ewiger Single.
Ein Jahr lang lebte Spoonhead mit seinem "Besitzer"paar in einer Wohnung, in der er viel Platz zum Toben hatte. Danach folgte die Trennung dieses Paars, heißt: Mein Ex warf mich aus der gemeinsamen Wohnung und erst nach vier Monaten Überredungsversuchen per Telefon durfte Spoonhead in meine neue, eigene Wohnung kommen.
Als ich ihn zum ersten Mal wieder sah, wich die Freude über unsere Reunion schnell dem Entsetzen. Der Kleine hatte vier Monate der Tortur hinter sich. Sein "Herrchen" hatte ihm das Gehege weggenommen, weil er mehr Platz für sich selbst wollte. Spoonhead war monatelang in einem viel zu kleinen Käfig eingesperrt worden, der direkt neben einer Stereoanlage stand, aus der täglich stundenlang ohrenbetäubend lauter Metal gedröhnt wurde. Gefüttert wurde er mit billigem Körnerfutter und Abfällen, von einem Bekannten weiß ich, dass in dessen Anwesenheit auch gesalzene Erdnüsse und Dönerfleisch(!) an das Tier verfüttert wurden. Ich bin noch heute völlig fassungslos, wie Menschen so grausam zu einem so niedlichen Fellnäschen sein können.
Spoonhead war völlig verändert, er war apathisch, zuckte anfallartig, bewegte sich kaum noch und sein Fell war stumpf, an einigen Stellen war die Haut verletzt und es schien, als sei aller Lebensmut aus dem süßen Kerlchen herausgetrieben worden.
Ich nahm ihn also mit zu mir (und natürlich zum Tierarzt), um ihn zu pflegen. Die körperlichen Schäden waren dank fachkundiger Versorgung und gesunder Futterumstellung recht schnell abgeheilt, die Wunden in seiner kleinen Seele blieben jedoch bestehen. Wenn er frische Karotten, Basilikum (sein absolutes Lieblingskraut) und Äpfel in seiner Schüssel fand, schaute er manchmal ganz verwirrt um sich, als könne er nicht glauben, dass das gute Futter wirklich für ihn bestimmt ist. Danach schnappte er sich den Brocken und rannte fluchtartig in seine Hütte zurück, um das Futter bloß nicht wieder weggenommen zu bekommen. Wochenlang kam er nur zum Fressen aus seiner Schlafhütte, lehnte Spielzeug, Berührungen und jeden Menschen ab, der sich ihm näherte. Nach langen und zahllosen Versuchen, bei denen ich vor dem Ställchen saß und ruhig auf ihn einredete, stellten sich erste Erfolge ein. Er kam häufiger aus dem Schlafhäuschen, beschnupperte meine Hand und fraß mir irgendwann auch wieder aus selbiger.
Es war wunderschön mitanzusehen, wie die kleine Schnuppernase immer mehr Vertrauen fasste, sich aktiver an allem beteiligte und zeitweise sogar wieder die gewitzte Frechheit zeigte, die ich vorher kannte.
Insgesamt dauerte es bestimmt ein dreiviertel Jahr, bis er wieder richtige Lebensfreude ausstrahlte und sein Gehege öfter verlassen wollte. Dann aber ging bei jedem Freigang in der Wohnung die Party ab. Er war ein sehr diebisches Tierchen: Hechtsprünge über den Couchtisch, um im Flug einen Keks vom Teller zu klauen und sich damit schnellstmöglich wieder zu verdrücken. Sprung aufs Sofa und Bettelposen, so bald jemand glaubte, ein Stück Rohkost essen zu dürfen, ohne Spoonhead etwas davon abzugeben.
Im Jahr 2005 begann sein neuer Leidensweg. Ständig tränten seine Augen, er fraß nicht mehr richtig, Zahnspitzen mussten so oft abgeknipst werden, wir rannten von einem Tierarzt zum nächsten, niemand wusste einen Rat, der wirklich half. Er wurde unter Narkose gesetzt, ihm wurden zwei Backenzähne entfernt. Ich weiß nicht, was wir alles versucht haben: Medikamente, Hömöopathie, Einstreu- und Futterwechsel,... Der Kleine war immer tapfer und geduldig, so als wüsste er genau, dass man ihm helfen will. Jeden Abend Inhalation, um seine vereiterte Nase zu kurieren, Wärmebettchen, Pipettennahrung usw., er hat es durchgehalten. Irgendwann aber konnte er nicht mehr. Er lag, alle Viere von sich gestreckt, mit tränenden Augen und Untergewicht in seiner Kloecke. Wir brachten ihn sofort zum Arzt, wo er wieder unter Vollnarkose gesetzt wurde, um seinen Kiefer nochmals genauer zu untersuchen. Dann fand man die Ursache: Ein großer Tumor im Kieferknochen. Wir hatten die Wahl: Amputation des Unterkiefers, um ihn noch knapp drei Wochen mit Pipette am "Leben" zu erhalten oder ihm gleich jetzt seinen Frieden schenken. Aus der Narkose ist er nicht mehr erwacht, und wir glauben, dass er es uns gedankt hätte, dass wir ihn gehen ließen.
Der Abschied fiel unsagbar schwer. Spoonhead hat uns eine Zeit voller Freude geschenkt und immer gekämpft. Am Ende jedoch war seine Kraft verbraucht. |
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