|
geschrieben am: 29.09.2013 um 05:47 Uhr IP: gespeichert
|
|
Lieber Fleck,
am 6. August hast Du uns verlassen, so lange her. Dein Tod kam absolut unerwartet. Und bisher konnte ich noch nicht richtig um Dich trauern, Du musstest wegen der Hitze so schnell wie möglich begraben werden, und ich musste dafür sorgen, dass Deine Lilly nicht lange alleine bleibt.
Fleckchen, Du warst etwas Besonderes. Klar ist jedes Kaninchen etwas Besonderes. Aber Du warst eines jener 4 Kaninchen, die wir 2011 ohne jegliche Erfahrung aus schlechter Haltung „gerettet“ hatten. Jene 4 Kaninchen, die mein Leben komplett umgekrempelt haben. Und was musstet Ihr alles mitmachen… Zuerst einzeln in Ställen, da Ihr drei unkastrierte Böckchen wart und eine trächtige Häsin. Ein Gehege musste her, aber das baut sich nicht so einfach über Nacht. Und kastriert musstet Ihr werden und Partner haben und und und… Du hast mir Sorgen gemacht, Dir ging es nicht schnell genug, egal was ich Dir alles versprochen habe, Du hast angefangen, an Gitterstäben herumzunagen… Es verging Zeit, und ich fragte mich, ob Ihr Mäuse nicht vom Regen in die Traufe gekommen seid.
Deine Hochzeit mit Lilly war ein Traum. Ich hatte von der seltenen „Liebe auf den ersten Blick“ gelesen, aber nicht erwartet, so etwas erleben zu dürfen. Du hast Lilly nicht gejagt, nicht gerammelt, keinerlei Fell flog - Du hast ihr einfach nur beharrlich und höflich nachgestellt, bis sie Deinem Werben nachgegeben hat. Danach wart Ihr unzertrennlich, und Ihr wart für uns das Liebespaar schlechthin. Du hast Dein Mädchen umsorgt, beschmust, bewacht, und ich dachte, diese Liebe hält ewig.
Fleck, Du hast mich, typisch Kaninchen, reingelegt. Es ging Dir schlecht, aber Du hast es nicht gezeigt. Nachdem ich letztes Jahr Schnupp hab gehen lassen müssen, hab ich Euch extra kontrolliert. Manchmal konnte ich helfen, und das hat mich sicher gemacht. Aber bei Euch kann man nie sicher sein. Das Schlimmste ist, Du hast mir sonntags „gesagt“, dass etwas nicht stimmt. Du hast mich intensiv fixiert, wie immer, wenn etwas los war. Diesen Blick habe ich nicht ernst genug genommen. Habe Dir Spezialkräuter gegeben, Du hast gefressen, und mich reingelegt. Denn Du hast nur gefressen, solange ich zugesehen habe.
Auch am Montag hast Du weiter vorgegeben zu fressen, aber es blieb einfach zuviel im Napf. Dienstagmorgen wurde mir es zu bunt, ich hob Dich hoch und hatte nur noch Haut und Knochen in den Händen. Du warst nie dick, auch wenn Du mit all Deinem wunderschönen Fell so aussahst. Es vergeht kein Tag, an dem ich mir keine Vorwürfe mache. Aber es kam noch schlimmer. Anstatt, nach dem ersten Impuls, auf alles zu pfeifen und sofort zum TA zu fahren, bin ich erst noch arbeiten gegangen (eine ach so wichtige Besprechung) - zum Schreien. Mittags im Affenzahn nach Hause, und dann weiter zu einem TA; meine TÄin war in Urlaub. Was Dir fehlte, konnte er mir nicht sagen, hat Dir eine AB-Spritze verpasst und mir Aufbaupräparate und AB mitgegeben. Päppeln wurde empfohlen. Ach was!
Du warst sehr schwach, und auf dem Weg nach Hause plapperte ich, dass wir das schaffen würden, das wäre doch gelacht, es würde gepäppelt, gegessen, so ein kräftiger Kerl wie Du bekäme das doch auf jeden Fall hin.
Im Gehege habe ich Dich sanft in Eure Hütte gelegt, Lilly kam auf Dich zu und sprang entsetzt weg. Ich hielt Dich noch in den Händen, als Du anfingst zu zucken.
Ich wollte weg. Als sich Dein kleiner Körper in seltsamen Krämpfen zusammenzog, wollte ich einfach nur ganz schnell weg und so tun, als sei nichts passiert. Dann wäre alles wieder in Ordnung, weil das ja nur Einbildung war, oder? Du konntest doch nicht so sterben, oder? Euthanasie, ja, sanft einschlafen ja! Aber doch nicht so! Bitte nicht!
Ich bin nicht weggelaufen. Ich habe Dich weiter festgehalten und Worte gemurmelt, ich weiß nicht mehr was. Und dann, als Du ganz ruhig warst, habe ich Dich ganz vorsichtig hochgehoben, an mich gedrückt und für lange Zeit festgehalten.
Bitte verzeih mir, Fleck. Auch wenn mir alle sagen, ich hätte alles richtig gemacht, ich würde doch so viel für Euch tun. Es bleiben immer die Gedanken: Wenn ich - hätte ich doch. Dann wärst Du noch bei uns?
Deine Lilly hat sehr um Dich getrauert. Ich hatte große Angst, auch sie zu verlieren. Sie war noch nie in ihrem Leben alleine. Als Du gingst, habe ich Dir etwas versprochen. Fleckele, Deine Lilly ist jetzt gut versorgt; Emil passt gut auf sie auf.
Du weißt, dass sich die Suche nach dem „Ersatz“ und das Auswaschen Eures Heims wie ein Verrat an Dir angefühlt hat. Aber um Lillys Willen musste das sein.
Gestern habe ich bunte Erika auf Dein Grab gepflanzt, wo Du bei Toby und Schnupp liegst. Und es wurde mir klar, dass Du endlich die Seite, die nur für Dich ist, bekommen musst. Ich musste wieder erleben, dass der Tod eines Kaninchens die meisten Menschen nicht wirklich interessiert. Außer hier. Mein süßer Fleck, hier wird an Dich gedacht. Ich liebe dich. Du fehlst.
|
"Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will."
Albert Schweitzer (Die Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben) |
|
|
|