Ein Kaninchen und ein Meerschweinchen...

Sowohl Kaninchen als auch Meerschweinchen leben natürlicherweise in Gruppen und brauchen Artgenossen um sich wohl zu fühlen. Ein Tier der jeweils anderen Rasse kann diesen Anspruch aber keineswegs erfüllen. Im Gegenteil:
Die Tiere haben völlig unterschiedliche Laut- und Körpersprachen, verstehen einander nicht und können sich gegenseitig ernsthaft verletzen. Im Zusammenleben werden die Meerschweinchen eher von den Kaninchen dominiert, da diese auf Grund von Größe und Beweglichkeit körperlich überlegen sind.

Beide Tierarten benötigen mindestens ein Partnertier ihrer Art, um glücklich zu sein. Und selbst wenn diese Bedingung erfüllt ist, ist eine Haltung beider Tierarten im gleichen Gehege äußerst fragwürdig. Denn auch wenn sie nicht aktiv gegeneinander vorgehen, kann es vor allem durch Missverständnisse in der Kommunikation schnell zu Problemen kommen.

Daten und Fakten

Ordnung: Nagetiere	Ordnung: Hasenartige
Herkunft: Südamerika	Herkunft: Mittelmeerraum
Gewicht: 0,7 - 1,6 kg	Gewicht: 0,8 - 9,5 kg
Lebenserwartung: 5-8 Jahre	Lebenserwartung: 8-10 Jahre
Aktivität: wechselnde Aktivität im Tagesverlauf	Aktivität: vor allem in den Dämmerungsphasen

Lautsprache

Meerschweinchen kommunizieren über eine ausgeprägte Lautsprache, indem sie quieken, gurren, brummeln und pfeifen. Mit diesen Geräuschen fordern sie Futter, bekunden ihr Wohlbefinden oder tragen lautstark ihre Konflikte aus.

Kaninchen hingegen verfügen über keine solche Sprache und können diese Lautäußerungen auch nicht deuten. Sie verständigen sich hauptsächlich über Ohren, Körperhaltung und ihre Blume. Nur in extremen Gefahren- oder Stresssituationen geben sie ein lautes Kreischen von sich.

Dieser Unterschied ist vor allem für das Meerschweinchen nachteilig: Einem Meerschweinchen ohne Artgenossen fehlt ein passender Gesprächspartner – im schlimmsten Fall „verstummt“ es nach einiger Zeit.

Körpersprache

Während Kaninchen gerne miteinander kuscheln und die gegenseitige Fellpflege als Liebesbeweis gilt, wird es einem Meerschweinchen gegenüber häufig in eine Art Stressstarre verfallen und unterwirft sich mit niedergedrückter Körperhaltung. Dies führt häufig zu der falschen Annahme, die beiden Tiere lägen glücklich beieinander.

Gerade im Bereich der Körpersprache kommt es häufig zu Missverständnissen:
Während ein flach auf den Boden gedrückter Kopf bei Kaninchen als Aufforderung zu gegenseitiger Fellpflege gilt, ist dies bei Meerschweinchen eine Unterwerfungsgeste. Das Meerschweinchen zeigt also deutlich, dass es die Dominanz des Gegenübers anerkennt und sich zurückziehen möchte.
Ein freundliches Anstupsen gilt bei Kaninchen als Aufforderung zum Spielen. Das Meerschweinchen hingegen zeigt dadurch den Wunsch nach Abstand, es möchte nicht bedrängt werden.

Diese Beispiele zeigen, dass die Körpersprache oftmals sogar völlig gegenteilig gedeutet wird. Schlimmstenfalls kann es zu Aggressionen und Verletzungen kommen, wenn keine angemessenen Rückzugsorte – vor allem für die oftmals unterlegenen Meerschweinchen – vorhanden sind.


Mehr zum Thema: Sprache und Verhalten beim Kaninchen

Gruppenverhalten

Beide Tierarten leben in Gruppen, haben jedoch verschiedene Gruppendynamiken:

Bei  Kaninchengruppen wirkt sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis positiv auf das Zusammenleben aus. Von reinen gleichgeschlechtlichen Konstellationen ist grundsätzlich abzuraten.
Bei Meerschweinchen hingegen hat das Böckchen in der Regel mehrere Weibchen, die es umwirbt. Eine Meerschweinchengruppe sollte also durchaus einen größeren Anteil an weiblichen Tieren haben und besteht optimalerweise aus einem Böckchen und seinem „Harem“. Aber auch reine Kastratengruppen können friedlich miteinander auskommen.

Sowohl Kaninchen als auch Meerschweinchen haben innerhalb ihrer Gruppe eine feste Sozialstruktur und sind sehr revierbezogen. Während Kaninchen ihr Revier auch gegenüber artfremden Tieren mit aller Kraft verteidigen, haben Meerschweinchen Artfremden gegenüber jedoch eine ausgeprägte Beißhemmung. Dadurch sind sie Kaninchen im gleichen Revier in letzter Konsequenz zwangsläufig unterlegen.

Haltung

Beide Arten brauchen ein großzügiges Platzangebot und zusätzlichen Auslauf, um sich wohl zu fühlen. Auch für Meerschweinchen ist ein Käfig – auch nicht stundenweise – keineswegs ausreichend. Eine größere Anzahl an Verstecken und Beschäftigungsmöglichkeiten ist für Meerschweinchen ebenso wichtig wie für Kaninchen.

Da Meerschweinchen nicht stubenrein werden, sind vor allem in Innenhaltung andere Ansprüche an den Untergrund im Gehege zu stellen. Im Gegensatz dazu können Kaninchen durchaus stubenrein sein und sind – bei entsprechender Sicherung der Wohnung – auch für Haltungsformen wie die freie Wohnungshaltung geeignet.

Das Fazit

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir einige Gründe aufgezeigt, weshalb Meerschweinchen und Kaninchen zwar nebeneinander, aber niemals miteinander leben können. Die Liste der Gründe wäre sicher noch erweiterbar, aber eines wird sicher klar:

Auch wenn Haltungsbedingungen und Fütterung ähnlich sind, so können beide Arten doch nichts miteinander anfangen.
Das „Zusammenleben“ ist geprägt von Missverständnissen, Unterdrückung und der permanenten Gefahr, dass sich die Tiere bei Streitigkeiten gegenseitig verletzen. Die parallele Haltung von einer Meerschweinchen- und einer Kaninchengruppe im selben Revier sollte daher gut überdacht werden. Überdurchschnittlich viel Platz und reichlich Rückzugsmöglichkeiten – auch solche, die nur die Meerschweinchen aufsuchen können – sind die Grundvoraussetzungen für diese Haltungsform.

Um wirklich sowohl Kaninchen als auch Meerschweinchen gerecht zu werden, brauchen jedoch beide Arten ein eigenes Revier in einem eigenen Gehege.