Entstehung
In der Regel werden Abszesse durch Bakterien hervorgerufen, die einen entzündlichen Prozess im Gewebe auslösen. Es gibt aber auch Abszesse, bei denen keine Erreger nachgewiesen werden können - sogenannte "sterile Abszesse". Der Körper versucht gesunde Bereiche zu schützen, in dem er um das entzündliche Geschehen eine sogenannte Abszessmembran aufbaut. Diese Abszessmembran ist sehr fest und verhindert auch, dass Antibiotika in ausreichender Konzentration zu dem Entzündungsherd durchdringen können, daher ist eine reine antibiotische Behandlung oft nicht ausreichend.Abszesse können sich sehr schnell bilden und sind entweder als kleinere Beulen fühlbar oder wenn der Prozess schon fortgeschrittener ist, oftmals schon mit dem Auge als größere Umfangsvermehrung sichtbar. Bei "reifen" Abszessen kann es auch passieren, dass diese sich von allein öffnen und entleeren, trotzdem ist auch hier eine gründliche Untersuchung und Behandlung notwendig.
Jede Umfangsvermehrung gehört zur Diagnosestellung und Erstbehandlung in die Hände eines Tierarztes!
Behandlung
Wenn es möglich ist, sollte der Abszess vollständig entfernt werden, es bedarf keiner weiteren Nachsorge, außer einer Antibiotikumgabe. In der Regel werden Abszesse aufgrund ihrer Lage und des Narkoserisikos aber gespalten - also geöffnet. Hierbei wird die geöffnete Abszesshöhle möglichst vollständig von Eiter befreit und anschließend gründlich gespült. Da Kanincheneiter sehr zäh und von eher teigiger, pastöser Konsistenz ist und nicht allein abfliesst, ist es notwendig die Wundhöhle täglich zu spülen. Somit wird verhindert, dass die Bakterien den Abszess weiterhin versorgen. Schlimmstenfalls können sich die Erreger durch die Blutbahn auch auf andere Körperbereiche bzw. Organe ausweiten. Unbehandelte Abszesse können sich durch Fistelgänge auch innerhalb des Körpers entleeren, was zu einer Vergiftung führen kann.Um den Stress für das Tier so gering wie möglich zu halten und häufige Fahrten zum Tierarzt zu vermeiden, sollte man sich zeigen lassen, wie man eine Spülung selbst durchführen kann.
Ist das Tier generell in einer guten gesundheitlichen Verfassung bilden sich schnell Krusten über der Abszessöffnung, die zum täglichen Spülen entfernt werden müssen. Dazu eignen sich gut lauwarmes Wasser oder eine Lösung mit goldener Schmierseife. Die Krusten müssen mit einem kleinen Lappen oder Tupfern eingeweicht und entfernt werden. Dies ist in der Regel nicht schmerzhaft für das Tier und kann bedenkenlos durchgeführt werden.
Das Spülen funktioniert bei sehr kleinen Öffnungen am besten mit einer Knopfkanüle, die auf eine Spritze aufgesetzt wird. Es empfiehlt sich, mehrere Spritzen vorzubereiten, wenn sehr viel gespült werden muss, damit der Wechsel der Spritzen zügig erfolgt. Bei größeren Wunden kann direkt mit der Spritze gearbeitet werden.
Als Spüllösungen können verdünnte Jodlösung, in Wasser gelöste Wasserstoffperoxidtabletten, Rivanol® oder Acridinlösung verwendet werden.
Für die Spülungen sollte das Tier auf einer rutschfesten Unterlage sitzen (am besten Einmal-Krankenunterlagen), die aus hygienischen Gründen entsorgt werden muss. Bei der Verwendung von Handtüchern ist eine Kochwäsche aufgrund der Verseuchung mit Bakterien dringend zu empfehlen.
Die Spritze in die Wunde einführen und gern mit etwas Druck entleeren. So wird die Abszesshöhle gut gereinigt. Zum Abfliessen muss man den Abszess etwas kneten, Eiter und Lösung treten aus. Den Vorgang solange wiederholen, bis nur noch wenig oder kein Eiter mehr austritt. Das tägliche Spülen muss solange durchgeführt werden, bis sich die Wunde so geschlossen hat, dass keine Krustenbildung mehr erfolgt. In der Regel ist nun alles verheilt. In Einzelfällen kann es vorkommen, dass kleine "Knubbel" an der ehemaligen Wunde zu spüren sind. Hierbei handelt es sich um die restliche Abszessmembran, die nicht vollständig aufgelöst werde konnte. Dies ist zu beobachten, damit sich hier nicht neue Entzündungen bilden.
Bei größeren und/oder mehreren Abszessen sollte eine gleichzeitige Gabe von Antibiotika erfolgen, um den Erreger zu bekämpfen. Bei Kieferabszessen ist ein Antibiotikum dringend zu empfehlen, welches knochengängig ist. Meist ist hier ein längerer Behandlungszeitraum nötig, um eine Heilung zu erzielen. Sehr gute Erfolge werden mit Penicillinen, wie z.B. Veracin oder Retacillin erzielt.
Penicilline dürfen bei Kaninchen nicht oral verabreicht werden, da sie schwerste Verdauungsstörungen zur Folge haben!
Bei der Verabreichung mittels Spritze wird Penicillin allerdings gut vertragen. Es sollte nur sehr genau darauf geachtet werden, dass keine Reste im Fell hängen bleiben, die abgeleckt werden könnten.
Besonderheit Kieferabszess
Bedauerlicherweise treten bei Kaninchen nicht selten Kieferabszesse auf, die durch Zahnfehlstellungen, zu langes Zahnwurzelwachstum, zu hohem Druck auf die Zähne, Entzündungen des Zahnfleisches oder aber auch starke Schnupfenerkrankungen entstehen können. Kieferabszesse sind weitaus schwieriger und langfristiger zu behandeln. Eine schlechte Aussicht auf Heilung besteht, wenn der Kieferknochen aufgetrieben ist. Hier dringen die Bakterien in den Knochen ein und schwemmen diesen auf - auf einem Röntgenbild sieht dies tatsächlich wie ein vollgesogener Schwamm mit kleinen gefüllten Kammern aus.Es empfiehlt sich bei Kieferabszessen immer, ein Röntgenbild machen zu lassen, damit beteiligte Zähne und Zustand des Knochens beurteilt werden können. In Mitleidenschaft gezogene Zähne sollten entfernt werden.
Leukasekegel und Septocoll
Leukase-Kegel sind kleine Kügelchen, die in Wund- und Abszeßhöhlen eingebracht werden, sich dort langsam auflösen. Septocoll wird aus Pferdesehnen gewonnen und wie eine Art Schwämmchen getränkt mit Medikamenten in die Wundhöhle eingebracht. In beiden Fällen lösen sich die Materialien auf, so dass gegebenenfalls die Wundhöhle nicht erneut geöffnet werden muss und der Heilungsprozess in Gang gesetzt wird. Der Vorteil ist, dass weitere Infektionen der Wundfläche vermieden werden.Einige Hersteller haben einen dritten Wirkstoff (Trypsin) mit in die Leukase-Kegel eingebracht, der eine enzymatische Wirkung besitzt. In diesem Fall wird der Wundschorf verflüssigt, so dass das Antibiotikum besser und tiefer in das kranke Gewebe eindringen kann. Je nach Größe der Wund- bzw. Abszesshöhle werden ein oder mehrere Kegel eingebracht.
Bei der Behandlung von Abszessen, insbesondere bei Kieferabszessen, kann es sinnvoll sein, nach dem Spalten eines Abszesses Leukase-Kegel mit zur Wundbehandlung und Heilung einzusetzen. Die kleinen, ca. 1,5mm großen Kügelchen werden nach der Operation direkt in die Wundhöhle eingebracht - die Anzahl richtet sich nach der Größe der Wundhöhle. Die Kegel lösen sich innerhalb der Wundhöhle langsam auf und setzen dabei die enthaltenen Wirkstoffe frei:
Das enthaltene Antibiotikum (Framycetin) bekämpft sowohl grampositive als auch gramnegative Erreger und deckt somit ein breites Erregerspektrum ab und wirkt zusätzlich zum systemischen Anitbiotikum direkt an Ort und Stelle.
Das enthaltene Lokalanästhetikum (Lidokainhydrochlorid) betäubt die Wundflächen örtlich und wirkt somit dem Wundschmerz entgegen. Dieser Effekt ist insbesondere bei Kieferabszessen sinnvoll, um ein schnelles selbstständiges Fressen der Tiere zu erreichen. Zusätzlich sollte aber unbedingt ein systemisch wirkendes Schmerzmittel gegeben werden.
Die Leukasekegel oder Septocoll können während der ganzen Behandlung eingesetzt werden.
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