Was ist ein "Notfall"?
Meist handelt es sich um Fälle von Zuchtauflösungen, Meldungen von Anwohnern oder auch Zufall, dass tierquälerische Zustände an einen Verein oder eine Organisation gemeldet werden. Diese organisieren oftmals auch in Zusammenarbeit mit der Polizei und Veterinärämtern eine Abholung der Tiere und Überbringung in Pflegestellen.Daraus resultieren Aufrufe zur Hilfe, denn Vereine und Organisationen verfügen meist nicht über soviele Pflegestellen, wie erforderlich sind. Oftmals handelt es sich um mehr als 50 Tiere, auch Notfälle mit mehr als 200 Tieren sind inzwischen leider keine Seltenheit mehr. Hinzukommen die zufälligen Entdeckungen sog. "Tiermessis" - Menschen, die glauben, etwas Gutes zu tun, Tiere sammeln, obwohl sie selbst mit sich und dem Leben vollständig überfordert sind.
Viele der größeren und bekannten Organisationen arbeiten hier oft Hand in Hand, doch das reicht eben nicht immer. Bedauerlich ist, dass oft keine Zeit bleibt oder aufgrund der schnellen Organisation die Hilfestellung für die auf der Strecke bleibt, die unerfahren ihre Hilfe anbieten und dann allein vor einer sehr belastenden Situation stehen.
Das Notfalltier
Bitte sein Sie sich im Klaren darüber, dass es sich um Tiere aus extrem schlechter Haltung handelt und allein der Anblick oftmals eine Herausforderung ist. Hysterie & Ekel sind hier fehl am Platze, denn diese Tiere brauchen wirkliche Hilfe. Wer hier schon schwache Nerven hat, sollte es bleiben lassen, denn so etwas ist emotional sehr belastend und hilft niemandem, wenn man anschliessend Alpträume hat.Die Regel ist, dass die Tiere...
*infektiös verseucht sind (Kokzidien, Würmer, Flöhe, schwerster Kaninchenschnupfen)
*schwere Verletzungen aufweisen (Bisswunden, halbe Ohren, zerbissene Pfoten, abgebissene Blumen, Fleischwunden, Abszesse)
*Hautpilz, Tumore, Milben haben
*unterernährt sind, bis zur lebensbedrohlichen Abmagerung
*überlange Krallen und Zähne haben
*wunde Läufe aufweisen
*E.Cuniculi unbehandelt ist
*blind und / oder taub sind
*Rammler fast immer unkastriert sind
*Häsinnen aller Wahrscheinlichkeit nach trächtig sind
*Missbildungen aufgrund von Inzucht aufweisen (3 Läufe, keine Ohren, nur ein Auge etc.)
*innerorganische Probleme, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind (z.B. Lungenabszesse)
Diese Tiere haben meist ein jahrelanges Martyrium hinter sich, so dass in jedem Fall allerhöchste Sensibilität im Umgang mit Fütterung und Handhabung zu leisten ist (z.B. anfassen - viele Tiere sind bissig, da sie geschlagen wurden). Auch mit noch so großem Einsatz ist manch ein Tier nicht mehr zu retten und die letzte Hilfe bedeutet auch, das Leiden zu beenden. Bitte keine Behandlungen bis zur Quälerei.
Traurige und übliche Tagesordnung
Notfall der Kaninchenrettung.de
Felix, m, kann nicht kastriert werden, da bisher keine Hoden gefunden wurden
fehlende Gelenkpfannen, aus "liebevoller Hobbyzucht", vermutlich Inzucht
Felix, m, kann nicht kastriert werden, da bisher keine Hoden gefunden wurden
fehlende Gelenkpfannen, aus "liebevoller Hobbyzucht", vermutlich Inzucht
Notfall der Kaninchenrettung.de
Lucky (m, kastriert)
fehlende Gelenkpfanne, aus "liebevoller Hobbyzucht", vermutlich Inzucht
Lucky (m, kastriert)
fehlende Gelenkpfanne, aus "liebevoller Hobbyzucht", vermutlich Inzucht
Notfall der Kaninchenrettung.de
fehlende Gelenkpfannen, aus "liebevoller Hobbyzucht", vermutlich Inzucht
fehlende Gelenkpfannen, aus "liebevoller Hobbyzucht", vermutlich Inzucht
Notfall sweetrabbits
Tucholsky, starker Kaninchenschnupfen, blieb mehrere Jahre unbehandelt
Tucholsky, starker Kaninchenschnupfen, blieb mehrere Jahre unbehandelt
Notfall sweetrabbits
Charlie, Wildkaninchen, wurde eingefangen und als Haustier gehalten und wieder ausgesetzt. Erblindung, starke Abmagerung, Bauchraum voller Abszesse
Charlie, Wildkaninchen, wurde eingefangen und als Haustier gehalten und wieder ausgesetzt. Erblindung, starke Abmagerung, Bauchraum voller Abszesse
Abgelöste Eiterkrusten bei täglicher Reinigung der Nasenpartie von Tucholsky
Notfall sweetrabbits
Jimmy, eines von 13 Kaninchen, auf Müllkippe ausgesetzt, extreme Cashmere-Züchtung, Verfilzungen bis auf die Haut
Jimmy, eines von 13 Kaninchen, auf Müllkippe ausgesetzt, extreme Cashmere-Züchtung, Verfilzungen bis auf die Haut
Notfall sweetrabbits
Tucholsky, extreme Bindehautentzündung - unbehandelt
Tucholsky, extreme Bindehautentzündung - unbehandelt
Wie helfe ich richtig?
1. Auch wer nur einen Käfig bieten kann - für den Übergang ist alles besser, als das wo die Tiere bisher gelebt haben. Ein Dauerzustand ist das natürlich nicht.2. Rammler müssen kastriert werden, Häsinnen werfen u.U. mehrere Junge und die Behandlung der vielfältigen Krankheiten erfordern eine Menge Zeit. Kann man das leisten? Ist das mit Familie und Job vereinbar?
3. Selbst ein kleines Kaninchen kann bis zu mehreren hundert Euro mit Behandlung und Medikamenten kosten. Eine Übernahme der Kosten durch den organisierenden Verein ist meist nicht möglich. Gibt die eigene Kasse das her? Selbst bei Vermittlung nach der Genesung des Tieres ist eine Schutzgebühr von mehr als 50 Euro nicht drin. Somit stehen Kosten gegen Einnahmen in keinem Verhältnis. Kann man sich das leisten?
4. Ist klar, dass das Tier nach Abschluss der Behandlung vermittelt wird? Die kleinen Patienten wachsen einem sehr schnell an's Herz. Noch dazu, wenn man "gemeinsam" soviel durchgemacht hat. Es hat oft partnerschaftliche Auseinandersetzungen gegeben, weil man sich nicht einig war. Das sollte vermieden werden.
5. Was geschieht, wenn das Tier so krank ist und auch bleiben wird, dass es nicht vermittelbar ist - also ein sog. Gnadenhoftier? Kann es bei Euch einen Platz auf Lebenszeit haben und auch einen Partner bekommen, der seiner Krankheit angemessen ist? Das Tier sollte nicht zum "Wanderpokal" werden.
Nachdem diese Fragen in Ruhe geklärt werden müssen, stehen nun die Versorgung und Unterbringung des kleinen Patienten an. Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass man einiges vorbereiten muss. Die Sicherheit der eigenen im Haushalt lebenden Tiere darf nicht gefährdet werden. Infektionskrankheiten können schnell auch durch den Menschen verbreitet werden (z.B. Kokzidien). Somit bedarf es hier auch äusserster Sorgfalt:
Unterbringung in einem separaten Raum
Eigene Näpfe und Futterschalen, Raufen, Klo's etc.
Häufige gründliche Reinigung mit einem tierverträglichen Desinfektionsmittel - übliche Haushaltsreiniger sind nicht nur nicht wirksam gegen Kokzidien etc. sondern auch schädlich für die Tiere!
Sämtliche bei diesen Tieren benutzte Wäsche (Handtücher, Flickenteppiche) wie auch die eigene Kleidung muss mit Wäschedesinfektion gewaschen werden und darf nicht mit den eigenen Tieren oder Kleinkindern in Berührung kommen. Einrichungsgegenstände des Geheges müssen heiss abgewaschen und desinfiziert werden. Händewaschen und Kleiderwechsel vor dem Umgang mit den eigenen Tieren ist Pflicht!
Umgehende Vorstellung beim Tierarzt sowie die Abgabe einer Kotprobe bringen den ersten Aufschluss über den Zustand und die einzuleitenden Behandlungsmassnahmen.
Niemals eigene Behandlungen einleiten und Medikamente verabreichen, wenn man damit keine Erfahrung hat! Kamille ist z.B. für Kaninchenaugen schädlich! Sie trocknet das Auge aus. Wenn also erste Säuberungen vorgenommen werden sollen, so ist dies mit lauwarmem klarem Wasser durchzuführen.
Eine sehr, sehr sanfte Futterumstellung muss vorgenommen werden, denn diese Tiere sind jahrelang miesestes Futter gewohnt. Daher muss eine Packung übles Futter vorhanden sein und vorläufig weiter gegeben werden. Auch der gut gemeinte übervolle Teller mit frischem Gemüse kann böse Folgen haben! Aufgasungen und Durchfall können die Folge sein. Besser sind ein kleines Stück Karotte, Apfel und Fenchel - dies wird in der Regel sehr gut vertragen. Dennoch kann es Tage dauern, bis sich die Tiere dort rantrauen, da sie dies meist noch nie im Leben gesehen haben. Heu sollte angeboten werden, dennoch ist im ersten Moment nicht damit zu rechnen, dass es gefressen wird. Geduld ist hier ein guter Berater. Generell gilt: niemals Trockenfutter und Frischfutter gemeinsam anbieten - auch hier können Verdauungsprobleme und Durchfall die Folge sein!
Transportboxen sollten keinen festgeklebten Teppich oder Drybeds enthalten. Besser sind alte Frotteehandtücher, die nach dem Transport entsorgt oder mit Wäschedesinfektion gewaschen werden müssen, die Box selbst heiss abspülen und desinfizieren.
Einige kleine Dinge für die Behandlungen sollten vorhanden sein, sie werden auch meist nicht vom Tierarzt mitgegeben: Kompressen (nach der Behandlung entsorgen - Baumwolltücher, Tempos etc. sind nicht geeignet und die Bakterien sitzen dort fest), Bepanthen Wund- und Heilsalbe, Babybrei, Paraffinoel, Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel.
Vorbehaltlich Ergänzungen sollte es das für's Erste gewesen sein und wir hoffen, damit nicht nur deutlich gemacht zu haben, was Euch erwarten kann, sondern auch eine Hilfestellung bei der Handhabung "Eures" Notfalles ist.
Viel Glück!
Viel Glück!
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